15. Dezember 2014

Bevor ich euch die dritte Folge der Hochzeitsgeschichten erzähle, muss ich eines nochmal vorausschicken: Ja, das hat sich wirklich so (oder zumindest fast so) abgespielt. Nein, ich denke mir diese Geschichten nicht aus. Ok, hier und da fantasiere ich vielleicht ein paar Details der Kolumnentauglichkeit halber dazu oder erfinde ein paar Personen zusätzlich, aber im Kern haben echte Paare echt diese echten Erfahrungen gemacht.

Diesmal traf es Sabine und Ben. Die beiden hatten sich eine romantische Hochzeit am See erträumt und die Feier monatelang geplant. Auch die Trauzeugen planten monatelang. Unter anderem die Brautentführung. Mit Ruderbooten. Über den See.

Es war ein besonders warmer Sommertag, die Hochzeitsgesellschaft hatte sich zum Sektempfang mit Torte und Kuchen auf einer Wiese am See versammelt, die Grillen zirpten, die Gäste stöhnten unter der Mittagssonne und die Sahnetorte verlor noch vor dem ersten Gabelkontakt die Contenance und zerfloss vor den Augen des betrübten Brautvaters. Ben stand etwas abseits, vertieft in ein hochphilosophisches Gespräch mit seinem Onkel Gustav über die Vor- und Nachteile ehelicher Gütertrennung, als eines der Blumenmädchen kreischte: „Die Sabine! Die haben die Sabine geklaut!“ und dabei wild gestikulierend Richtung See zeigte. Ben schaute in die Richtung, in die der Sahnetorten-verschmierte Zeigefinger des Kindes wies, und erblickte gerade noch, wie seine Angetraute von ihren Freundinnen in ein wackliges Ruderboot bugsiert wurde, bevor es in See stach und um die nächste Landzunge verschwand.

Eine Herde Hyänen

Ben verdrehte die Augen zum Himmel. Herrgott nochmal! Hatte er nicht ausdrücklich zu seinen Freunden gesagt, dass sie gerne alle erdenklichen lustigen Spielchen planen dürften, nur bitte keine Brautentführung?! In diesem Moment trat Birgit vor den Bräutigam und schwenkte einen Zettel. Dann flötete sie: „Alle mal herhören! Die Sabine ist entführt worden und der Ben muss jetzt ein paar Aufgaben lösen, um sie zu finden!“

Na ganz toll… Genau darauf hatte er bei gefühlten 40 Grad im Schatten in seinem Hochzeitsanzug so richtig große Lust! Aber Ben wusste: Seine Sabine wartete auf ihn und je länger er brauchte, desto länger war sie von der Feier weg, desto ungeduldiger würden die Gäste werden und desto mürrischer seine Schwiegermutter. Also quälte sich Ben von einem Rätsel zum nächsten und folgte der Spur der Hinweise von der Wiese in den Geräteschuppen hinter dem Gasthaus, auf die Rutsche vom Kinderspielplatz und zum Bootshaus, während die Gesellschaft träge hinter ihm her trottete, nur um sich bei jedem neuen Zwischenziel wie eine Herde hechelnder Hyänen unter dem Schatten des nächsten Baumes zu versammeln und sich am Anblick des in der Sonne darbenden und eifrig Rätsel lösenden Bräutigams zu weiden.

Oktoberfeststimmung im Ruderboot

Die letzte Aufgabe sollte Ben endlich seine Sabine zurückbringen: Ein weiteres Ruderboot wartete am Ufer des Sees und Ben kletterte hinwein, gefolgt von seinen Kumpel. Entschlossen ruderte Ben los. Der Rest der Gesellschaft blieb ratlos zurück. Eine Viertelstunde später vernahmen die wartenden Gäste vom Wasser her bierseligen Seemannsgesang. Schon bogen zwei Ruderboote um die Landspitze, in einem Ben und seine Freunde, im anderen Sabine und ihre Freundinnen.

Beseelt vom Alkohol und der brennenden Sonne wähnte sich Bens Studienfreund Ralf an Land und begann im Boot wie auf einer Bierbank im oktoberfestlichen Schottenhammel zu schunkeln. Auch Bens Trauzeuge Viktor fiel in den Rhythmus und den Gesang ein, dann Max, dann Christoph, bis schließlich die gesamte Freundesschaar im Bräutigamboot schunkelte. Bis, ja bis… genau, bis das Boot mitsamt dem Bräutigam an Bord kenterte und die gesammelte Trauzeugen-Kollegen-Freundes-Clique platschend die Erkenntnis ereilte, dass das Boot mitnichten Land unter dem Kiel hatte und die Ruderbootbänke nicht auf dem Oktoberfest standen.

Gallionsfigur im Brackwasser

Ralf wähnte sich in seinem Alkoholwahn im 60 Zentimeter tiefen Wasser kurz vorm Ertrinken und strampelte und prustete und griff nach dem erstbesten Ding, das er zu fassen bekam: Sabine. Sabine, die wie eine Gallionsfigur an der Spitze des Frauenbootes kauerte und ihrem Ehemann die rettende Hand hingestreckt hatte. Ralf aber war schneller als Ben, griff zu und klammerte und zerrte so lange an Sabine, bis er sie komplett umarmen konnte.

Nur leider nicht auf dem rettenden Boot, sondern im brackigen Seewasser.

Am Ufer sagte Sabines Mutter zu ihrem Mann: „Paul, ich muss mich setzen“, während Bens Großmutter still auf den nächsten Stuhl der Kaffeetafel sank und die Stirn schwer in ihre Hände sinken ließ.

Dann tauchte Sabine auf. Und dann Ben. Und noch bevor Sabine in Tränen ausbrechen, schreien oder die Fäuste ballen konnte, sagte Ben im lakonisch ruhigen Ton des geretteten Schiffbrüchigen: „Du, schau mal, mein Ring ist weg.“

 

 

 

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